Empfehlungen für Arbeitstechniken im Studium
Austausch und Networking
Es empfiehlt sich während des Studiums im engen Austausch mit den Dozenten zu bleiben, deren Module man im kommenden Semester zu belegen plant. Dies betrifft einerseits die Bereitstellung von Lehrinhalten wie LaTex-Skripten und andererseits den Austausch über geeignete Formate für die bestmögliche Erbringung von Leistungsnachweisen. Falls es an Ihrer Universität Stellen gibt, die sich mit der Aufbereitung von Lehrinhalten speziell für die barrierefreie Nutzung beschäftigen ist auch hier eine rechtzeitige Kontaktaufnahme ein wesentlicher Faktor für die zügige Bereitstellung der benötigten Materialien. Für die Antragsstellung auf Nachteilsausgleich zum Zweck der Leistungserbringung sollte rechtzeitig Kontakt zu Ihrem Prüfungsbüro, Prüfungsausschuss oder äquivalenten für die Genehmigung zuständigen Institutionen aufgenommen werden.
Der Austausch mit Kommilitonen kann eine effiziente Art sein, sich den Stoff zu erarbeiten, speziell in Ihrem Fall ist dies relevant, da infolge von Blindheit je nach Lerntechnik ein erheblicher zeitlicher Mehraufwand bei der Erarbeitung des Stoffs zu erwarten ist.
Arbeitsweisen für Vorlesungen
Wesentlich für das Mitverfolgen von Vorlesungen ist die Bereitstellung einer barrierefreien Version der Materialien. Aufgezeichnete Vorlesungen haben für Blinde und Sehbehinderte vor allem zeitliche Vorteile, da gegebenenfalls angehalten oder zurück gespult werden kann. Sollte seitens des Dozenten keine Aufnahme zur Verfügung gestellt werden kann eine eigne Aufnahme unter vorheriger Absprache eine alternative sein. Das Mitschreiben mit Sprachausgaben während einer regulären Vorlesung ist nicht zu empfehlen, da sich beim Versuch beiden zuzuhören oft Sprachausgabe und Dozent in die Quere kommen können. Unter Umständen kann hier eine Braille-Zeile die Lerntechniken während der Vorlesung ergänzen.
Arbeitsweisen während Prüfungen
Neben der rechtzeitigen Kontaktaufnahme mit den zuständigen Institutionen für die Genehmigung von Nachteilsausgleichen ist es wichtig, sich über die Art des Nachteilsausgleichs Gedanken zu machen. Die grundlegenden Möglichkeiten sind hier Zeitzuschläge bei der Prüfungszeit, Erlaubnis der Zuhilfenahme spezieller Hilfsmittel, z. B. in Form einer digitalen Bearbeitung mit Vergrößerungs- oder Screen-Reader-Software, Unterstützung durch eine Assistenz oder eine Veränderung des Prüfungsformats beispielsweise durch den Ersatz einer Klausur durch eine mündliche Prüfung.
Kurzanleitung zur Nutzung eines Tactonom Readers
Wie funktioniert der Tactonom?
Der Tactonom-Reader nutzt für das bessere Verständnis von Grafiken oder komplexen Strukturen wie Matrizen eine Kombination aus haptischer und hörbarer Darstellung. Für eine taktile Schwellkopie der entsprechenden Inhalte wird für den Reader eine digitale Beschreibung hinterlegt, welche er abruft, indem er einen dazugehörigen Code auf der passenden Schwellkopie scannt. Anschließend kann die Grafik erkundet werden. Hierfür folgt der Reader mittels einer Kamera einem ausgestreckten Finger, mit welchem man die Abbildung abfährt. An den entsprechenden Stellen können dann Beschreibungen der jeweiligen Areale auf der Seite angehört werden. Je nach Modus ist so eine Erkundung oder sogar eine Interaktion mit den gezeigten Inhalten möglich, beispielsweise über Testfragen. Ein entscheidender Vorteil des Tactonoms liegt in seinen Möglichkeiten, lokal zugehörige Inhalte in einer Ausführlichkeit zur Verfügung zu stellen, wie es aus Platzgründen mit Punktschrift nicht möglich wäre.
Was gilt es, bei der Nutzung des Tactonoms zu beachten?
Um eine optimale Nutzung des Tactonom zu gewährleisten sollte für das Gerät eine angemessene WLAN-Verbindung garantiert sein. Ferner sind die Vorteile des Geräts nur dann nutzbar, wenn die entsprechenden Beschreibungen vollständig hinterlegt sind. Sollten Sie planen, den Tactonom für eines ihrer Module zu nutzen und sollten für dieses Modul noch keine entsprechenden Grafiken erstellt worden sein ist es wichtig, sich rechtzeitig nach Möglichkeiten für eine Umsetzung bei den hierfür Zuständigen zu erkundigen, damit Ihnen die Lernmaterialien rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden können.
Bei der Nutzung des Geräts selbst gilt es zu beachten, stets nur einen Finger ausgestreckt zu halten, da der Reader versuchen wird, den am weitesten nach vorn ausgestreckten Finger zu erkennen und dies dem Gerät eine eindeutige Verfolgung ermöglicht. Die restliche Steuerung und Interaktion erfolgt über die Buttons am unteren Rand des Readers. Für eine funktionierende Nutzung und eine akkurate lokale Zuordnung der Hörinhalte ist es unerlässlich, dass die Schwellkopien korrekt in den Reader eingespannt werden, andernfalls liegen die Beschreibungen an den falschen Stellen.
Kurzanleitung zur Nutzung mathematischer Inhalte mit Sprachausgaben
Allgemeines
Die üblicherweise für Vorlesungen verwendeten PDF-Skripte sind in aller Regel nicht barrierefrei. Oft sind in ihnen benutzte Symbole und Formelstrukturen nicht lesbar. Tabellen sind im besten Fall zwar eindeutig, werden dann jedoch oft als einfache Textzeile vorgelesen, was eine strukturierte Navigation erschweren kann. Eingebundene Grafiken sind im Normalfall gar nicht lesbar.
LaTex und PseudoTex
Die verwendeten PDF-Dateien werden jedoch in aller Regel auf Basis von LaTex-Skripten generiert, die eine eindeutige Darstellung bieten und mit Screen Readern vollständig erfassbar sind. PseudoTex stellt eine vereinfachte, speziell auf Barrierefreiheit angepasste Form des LaTex-Codes dar. Dies ist die erstrebenswerte Form, sie liegt aber nicht immer für alle Skripte vor. Daher sollte als Minimum in jedem Fall das LaTex-Skript der durch die Dozenten verwendeten PDF-Dateien genutzt werden.
Ein Nachteil von LaTex-Code gegenüber PseudoTex-Darstellung ist die Verwendung von Formatelementen, beispielsweise für die Darstellung fetten Textes oder bestimmter Umgebungen wie Gleichungen. Ein weiterer Aspekt, der für Verwirrung sorgen kann und bei der Nutzung bedacht werden sollte, ist, dass es in LaTex verschiedene Möglichkeiten gibt, ähnliche Symbole darzustellen, beispielsweise sind sowohl \dots als auch \cdots Möglichkeiten, drei Punkte zu generieren und die Nutzung kann zwischen verschiedenen Dozenten variieren. Ein Versuch, klassischen LaTex-Code für Blinde intuitiver zu gestalten sind Aussprachewörterbücher für die Sprachausgaben NVDA und Jaws. Über diese kann mit Leerersetzungen für die Formatelemente und eindeutigen Aussprachebelegungen für verschiedene Darstellungsformen gearbeitet werden.
Was sowohl LaTex als auch PseudoTex für die barrierefreie Nutzung sehr geeignet macht, ist die hohe Editierbarkeit.
MathJax und Math ML
MathJax und MathML sind Darstellungsformen für mathematische Inhalte, die einem vor allem Online begegnen werden, beispielsweise auf Wikipedia. Ihr Vorteil liegt in ihrer Strukturierung. In den Formeln kann man auf verschiedenen Ebenen navigieren und in tiefere Ebenen bzw. Teile der Formeln hinein navigieren, um diese zu erkunden. Nachteil dieser Darstellung ist ihre mangelnde Editierbarkeit. Sowohl mit Jaws als auch mit NVDA kann in den Formeln navigiert werden, für NVDA ist hier die zusätzliche Installation des MathPlayer notwendig. Anschließend kann hier mittels der Tastenkombination NVDA+Alt+M in die mathematischen Inhalte hinein navigiert werden.
Kurzanleitung zur Nutzung der Aussprachewörterbücher
Allgemeines
Die Wörterbücher sollen einer besseren Nutzbarkeit und Verständlichkeit gelesener Inhalte dienen, können angesichts des LaTex- bzw. PseudoTex-Formates aber nicht in allen Fällen eine komplett hörbare Erfassung der zugrunde liegenden Strukturen garantieren. Sie sind noch unvollständig und werden, ebenso wie diese Anleitung, weiter ergänzt. Daher ist dringend zu empfehlen, in jedem Fall die einzelnen Zeichen in den ursprünglichen Formeln zu überprüfen, um die Formel initial präzise zu verstehen.
Die Aussprachewörterbücher sollen so gestaltet werden, dass sie einem in der alltäglichen Nutzung der Sprachausgabe nicht in die Quere kommen, aber manchmal müssen hier Kompromisse eingegangen werden. Beispielsweise werden Bindestriche als Minus ausgesprochen, wenn vor oder nach ihnen eine Zahl, ein x oder y steht.
Editierung der Wörterbücher
Falls einzelne Ersetzungen stören sollten, können die Dateien mit einem Texteditor individuell angepasst werden. Die Ersetzungen sind Zeilen, die beliebig gelöscht, bearbeitet und durch weitere ergänzt werden können. Die Syntax unterscheidet sich geringfügig zwischen NVDA und Jaws; bei NVDA ist sie für die einzelnen Einträge jeweils etwas kürzer. Im Grunde folgen beide in den jeweiligen Zeilen dem Aufbau:
ursprünglicher Ausdruck, Ersatzausdruck, dann weitere Werte, die angeben, ob weitere Faktoren berücksichtigt werden sollen, beispielsweise Groß- und Kleinschreibung.
Hierbei sind die einzelnen Elemente der Einträge bei NVDA durch Tabs und bei Jaws durch Punkte getrennt.
Die Priorisierung der Einträge erfolgt bei NVDA absteigend, wenn man also einen längeren Ausdruck wie \sum_{k=1}^n ersetzen und zusätzlich einen Ersatzeintrag für \sum_ haben möchte, muss der längere Ausdruck weiter oben stehen, da sonst der kurze priorisiert und der Rest des längeren nicht mehr als zu ersetzend erkannt wird. Bei Jaws werden längere Ausdrücke automatisch priorisiert, deren Position in der Liste ist also egal und wird vom Programm außerdem selbstständig alphabetisch sortiert.
Vor der Modifikation oder Installation der Wörterbücher können Backups sinnvoll sein.
Installation
Man kann die Wörterbücher auf zwei Arten einbinden,
1. Man ersetzt die Dateien, sofern man selbst noch keine Ausspracheregeln vorgegeben hat, oder
2. und dies ist zum Erhalt vorhandener Einträge empfehlenswert, man kann die Dateien der vorhandenen Wörterbücher öffnen und den Inhalt der neuen Wörterbücher ganz oben einfügen. Bei NVDA stimmt die Priorisierung dann automatisch und Jaws sortiert wie erwähnt selbstständig.
Die Dateien für die Aussprachewörterbücher findet man im Roaming-Ordner, also durch Drücken von Windowstaste+R und Eingabe von %appdata% in das sich öffnende Ausführen-Fenster.
Für NVDA ist die Datei dann unter nvda/speechDicts/
und für Jaws unter Freedom Scientific/Jaws/2023/Settings/Deu/
zu finden. Die Jahreszahl im Pfad variiert nach Jaws-Version.
Bei NVDA heißt die Standarddatei dann default.dic und bei Jaws default.jdf
Bekannte Probleme
Die Rechtschreibprüfung in Word kann die Aussprache behindern, wenn beispielsweise LaTex-Ausdrücke als Rechtschreibfehler erkannt werden. Je nach Situation kann es sinnvoll sein, die Rechtschreibprüfung zu deaktivieren oder im Kontextmenü alle ignorieren bzw. zum (Word-)Wörterbuch hinzufügen auszuwählen.