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Lehrende

    Die Gestaltung barrierefreier Vorlesungen in Mathematik und anderen MINT-Fächern ist ein entscheidender Schritt, um eine inklusive und chancengerechte Hochschulbildung zu gewährleisten. Als Hochschullehrende stehen wir in der Verantwortung, Bildungszugänge für alle Studierenden zu ermöglichen, unabhängig von ihren physischen Fähigkeiten. Dies ist besonders relevant für blinde und sehbehinderte Studierende, die oft mit einzigartigen Herausforderungen in einem visuell geprägten Lernumfeld konfrontiert sind.

    Ein Professor zeigt auf eine mathematische Formel auf einer Beamerprojektion.

    Beamerpräsentationen sind oft relativ schnell und meist wird nicht alles, was auf den Folien steht, vorgelesen.

    Vor der Lehrveranstaltung

    Wir empfehlen Lehrenden und Studierenden gleichermaßen, möglichst früh miteinander Kontakt aufzunehmen, da die betroffenen Studierenden oft sehr präzise beschreiben können, mit welchen Methoden und Hilfsmitteln sie gut (und weniger gut) arbeiten können – ein offenes Ohr von Lehrenden ist da ein erster wichtiger Schritt. Er ist auch nötig: Aus Datenschutzgründen wird an Universitäten und Hochschulen eine Behinderung üblicherweise nicht mit den Studierendendaten erfasst, so dass eine zentrale Mitteilung über Behinderungen oder Nachteilsausgleiche von Teilnehmern in der Regel nicht möglich ist.

    Tipp

    Studierende mit Sehbeeinträchtigung profitieren sehr davon, wenn sie die Lehrmaterialien VOR der Lehrveranstaltung zur Verfügung gestellt bekommen, damit sie während der Veranstaltung auf ihrem digitalen Gerät folgen können oder die Inhalte rechtzeitig aufbereiten lassen können!

    Ein Professor diskutiert mit einem Studenten anhand eines ausgedruckten Skript.

    Studierenden mit Sehbeeinträchtigung können nur schwer einer „kurzen Erklärung“ folgen.

    In der Lehrveranstaltung

    • Erlauben Sie betroffenen Studierenden die Verwendung geeigneter Hilfsmittel (zum ausschließlich eigenen Gebrauch) – Laptop, Lesegeräte, Aufnahmegerät usw.
    • Gehen Sie davon aus, dass die meisten betroffenen Studierenden kaum oder gar nicht lesen können, was auf der Tafel oder dem Beamer präsentiert wird.
    • Sprechen Sie während der Lehrveranstaltungen so, dass man Ihnen so gut wie möglich nur durch Zuhören folgenden kann (stellen Sie sich vor, Sie würden mit geschlossenen Augen in der Veranstaltung sitzen). Das können banale Dinge sein: „Nach der Formel da links oben“ ist kein guter Querverweis, und Formeln sollten möglichst korrekt (inklusive aller Klammern) gesprochen werden . Auch sehenden Studierenden wird so das Mitschreiben erleichtert.
    Eine Professorin erklärt einem Studenten etwas, indem beide einen Globus abtasten.

    Physische Modelle sind eine gute Ergänzung des Unterrichts - für alle Studierenden. Sie geben einen haptischen Zugang zum Stoff und erhöhen obendrein die Motivation - sie tragen zum „be-greifen“ bei.

    Barrieren in Lehrmaterialien

    Abhängig von der Arbeitsweise der Studierenden gibt es unterschiedliche Barrieren:

    • Barrieren bei visueller Arbeitsweise
      • schlecht lesbare Fonts (z.B. mit Serifen),
      • geringe Farbkontraste (z.B. hellgrüne Schrift auf weißem Grund),
      • handschriftliche Zeichnungen,
      • eingebettete eingescannte Inhalte
    • Barrieren bei der Arbeit mit Vorlesesoftware
      • Inhalte können nicht vorgelesen werden
      • Texte ohne Strukturierung (fehlende Auszeichnung von Überschriften)
      • Grafiken ohne Beschreibung (Alternativtext)
      • Eingescannte Inhalte
    • Wie Lehrmaterialien barrierefrei gemacht werden können, wird in der Rubrik Umsetzende beschrieben.
    Ein Professor hält eine Vorlesung vor einer großen Tafel in einem vollen Hörsaal.

    Achten Sie auf ein gutes Tafelbild - alle Studierenden werden davon profitieren.

    Barrieren in Prüfungen und Abschlussarbeiten

    Grundsätzlich sind die Barrieren in Prüfungen und Abschlussarbeiten den Barrieren in Lehrmaterialien sehr ähnlich – aber unter erschwerten Bedingungen. In diesen Situationen wird in der Regel ein Nachteilsausgleich gewährt.

    Es gibt ein paar Besonderheiten:

    Schriftliche Prüfungen
    • Die Prüfungsmaterialien sollten so weit wie möglich barrierefrei sein. Überprüfen Sie, ob Barrieren (etwa: eine perspektivische Grafik) für das Prüfen des Stoffs unerlässlich sind und passen die Auswahl der Materialien ggf. an. Überlegen Sie vorab, wie die Studierenden unter den Prüfungsbedingungen konkret die Aufgabe bearbeiten können (Schwellkopien etc.).
    • Klären Sie mit den Studierenden vorab, wie der Nachteilsausgleich in der Prüfung am besten realisiert werden kann. Die Studierenden und ihre Assistenzkräfte sollten die Gelegenheit haben, sich damit vertraut zu machen, um Probleme und Stress während der Prüfung zu vermeiden (besondere Geräte/Prüfungsorte, „Vorlesen“ unter Prüfungsbedingungen, sind vergrößerte Materialien „groß genug“ etc.)
    • Sollte während der Prüfung ein Taschenrechner oder andere technische Hilfsmittel (etwa Zeichengeräte) notwendig sein, besprechen Sie vorab mögliche Alternativen. Zum Beispiel gibt es Apps wie den Arithmico, die als online-Taschenrechner auf einem Laptop verwendet werden können.
    Mündliche Prüfungen
    • Auch Studierende mit Sehbehinderung benötigen in mündlichen Prüfungen mehr Zeit, wenn in der Prüfung gelesen oder geschrieben werden soll (Studierende mit starker Sehbeeinträchtigung schreiben in der Regel größer und langsamer oder bevorzugen es, digital mit einem Stift oder einer Tastatur zu schreiben). Bitte berücksichtigen Sie dies bei der Planung der Prüfungszeiten.
    • Oft empfinden Studierende mit Sehbehinderung eine Prüfung an der Tafel als angenehmer als auf Papier, weil die Schrift größer ist und man leichter die Leseposition verändern kann. Bieten Sie diese Option von sich aus an.
    Abschlussarbeiten
    • Hier kann es eine Herausforderung sein, die benötigte Fachliteratur (Artikel, Daten etc.) in barrierefreier Form anzubieten. Es empfiehlt sich, früh genug mit dem Umsetzen bzw. Erstellen entsprechender Materialien anzufangen.
    • Vermeiden Sie zusätzliche Barrieren durch „Schusseligkeit“. Beim Bewerten einer Hausarbeit sind etwa handschriftliche Notizen auf dem Rand denkbar ungeeignet – die Studierenden sind dann zum Lesen (und Entziffern?) auf Assistenzkräfte angewiesen. Jede digitale Variante (sticky notes, Kommentare in word-Datei oder Email) oder sogar eine aufgezeichnete Sprachnachricht sind dem vorzuziehen.
    • Fragen Sie die Studierenden, mit welchen Tools Sie am liebsten arbeiten – und überlegen Sie, ob Ihr Workflow darauf abgestimmt werden kann. Normalerweise kommuniziert man mit Studierenden nicht per Sprachnachrichten – manche blinde Studierende ziehen dies aber einer Email vor.
    Ein Professor erklärt etwas an einer Tafel in einem vollen Hörsaal.

    Sprechen Sie Fachausdrücke und Formeln vollständig aus. Im besten Fall sollte ein Zuhörer in der Lage sein, alles korrekt nur durch Hören wiederzugeben!

    Nachteilsausgleich

    Studierende mit Behinderung oder chronischen Erkrankungen haben das Recht auf einen Ausgleich von behinderungsbedingten Nachteilen. Wie ein Ausgleich aussehen kann, ist individuell verschieden und hängt von der Beeinträchtigung ab. Liegen mehrere Beeinträchtigungen vor, z.B. eine Seh- und eine motorische Beeinträchtigung, sollte sich dies im Nachteilsausgleich widerspiegeln.

    Beispiele für Nachteilsausgleiche sind

    • Zeitverlängerung
    • Schreiben in einem separaten Raum
    • Pausen
    • Prüfungen am Computer
    • Benutzung assistiver Technologien für digitale Prüfungen (z.B. Braillezeile, Vorlesesoftware (Screenreader), Lesegeräte, Vergrößerungssoftware), Vorlesekräfte
    • Änderung der Prüfungsmodalität (z.B. anstelle einer schriftlichen eine mündliche Prüfung oder umgekehrt), oder
    • Ersatzaufgaben für nicht zugängliche Teile.

    Studierende mit Sehbeeinträchtigung haben beispielsweise häufig Probleme mit dem Zugang zu Grafiken, komplexen Tabellen, Formeln oder wenn sie selbst etwas zeichnen müssen.

    Tipp

    Hilfreich ist es, sich von den Studierenden erklären zu lassen, wie sie bisher mit Formeln, Grafiken, Tabellen oder selber zeichnen umgegangen sind.

    Wichtig ist, dass sich die Studierenden frühzeitig bei den Beauftragten für Studierende mit Behinderung und chronischen Krankheiten an Ihrer Hochschule zum Nachteilsausgleich beraten lassen. Der Antrag auf Nachteilsausgleich muss möglichst früh im Semester schriftlich an die Prüfungskommission gestellt werden, damit genügend Zeit für die Entscheidung bleibt und sie die Prüfungen mitschreiben können.

    Weitere Informationen finden sich auf der entsprechenden Seite der Studierendenwerke .

    Eine Tafel ist mit diversen mathematischen Zeichnungen bemalt.

    Manche Lehrinhalte sind so stark grafisch geprägt, dass auch beim besten Bemühen der Lehrenden eine barrierefreie Vorlesung nicht möglich ist. Hier wird man individuelle Lösungen finden müssen.