Zum Inhalt springen

LaTeX barrierefrei machen

    LaTeX ist eine Textsatzsystem, das darauf ausgelegt ist, gut lesbare Druckdateien zu erstellen. Durch die sehr gute Unterstützung für mathematische Formeln ist es in den MINT-Fächern weit verbreitet, die generirten pdf-Dokumente sind in aller Regel jedoch nicht barrierefrei erfassbar. Im Gegensatz zu gängigen Office-Programmen wie Word ist LaTeX mit einer Programmiersprache zu vergleichen, viel LaTeX-Quellcode besteht aus Formatierungs- und anderen Compilerbefehlen, die nicht auf inhaltlicher Ebene relevant sind. Dadurch werden LaTeX-Dokumente für Blinde und Sehbehinderte mit Screenreadern nur sehr unübersichtlich erfassbar.

    Wir wollen hier zwei Methoden aufzeigen. den Umgang mit LaTeX-Quellcode zu vereinfachen.

    Pseudo-LaTeX

    Was ist Pseudo-LaTeX?

    Unter Pseudo-LaTeX verstehen wir eine strukturlose Verwendung von LaTeX-ähnlichen Befehlen. Diese werden beispielsweise innerhalb eines Word-Dokumentes (oder natürlich auch Alternativen wie OpenOffice) verwendet, um eine Formel darzustellen. Die meisten LaTeX-Befehle, die keine inhaltliche Bedeutung haben, sind für Pseudo-LaTeX irrelevent. Dazu gehören beispielsweise Befehle wie \begin{…}, \includepackage{} und ähnliches. Aus vorhandenem LaTeX-Quellcode kann nun durch Löschen dieser „überflüssigen“ Befehle Pseudo-LaTeX generiert werden. Wann immer möglich, werden dabei Standard-Word Funktionen verwendet, um das Dokument übersichtlich zu gestalten. Dazu gehören beispielsweise die Word Überschriftsfunktion oder Tabellen, nicht aber der Word Formeleditor.

     

    Mittels angepasster sogenannter Sprachwörterbücher für gängie Screenreader kann ein Pseudo-LaTeX-Dokument so vorgelesen werden, wie auch eine natürliche Person den LaTeX-Quellcode vorlesen würde. Das Sprachwörterbuch übersetzt einen Pseudo-LaTeX-Befehl wie \Leftrightarrow also etwa in ein gesprochenes „äquivalent zu“.

    Wofür braucht man Pseudo-LaTeX?

    Pseudo-LaTeX hat drei wesentliche Vorteile:

    1. Die Arbeit mit Word und Pseudo-LaTeX ist gerade an Schulen für Blinde und Sehbehinderte weit verbreitet. Daher müssen sich Schülerinnen und Schüler beziehungsweise Absolventen nicht umgewöhnen.
    2. Pseudo-LaTeX ist sehr einfach zu lernen und auch sehr einfach zu bearbeiten. Einen Formeleditor zu bedienen oder einen Klammerfehler in einem LaTeX-Quellcode zu suchen, ist für Sehbehinderte mitunter herausfordernd.
    3. Pseudo-LaTeX kann kontextabhängige Bedeutungen einfach implementieren. Manchmal ist in einem LaTeX-Quellcode nur aus dem Kontext klar, was mit einem Symbol gemeint ist. Liest man die entsprechende Formel vor, so würde man den entsprechenden Kontext aussprechen, und nicht das eigentliche Symbol. Statt „Eckige Klammer auf 0 , 1 Eckige Klammer zu“ sagt man also „das geschlossene Intervall von 0 bis 1“. Bis zu einem gewissen Level kann man solche Ausspracheeigenheiten in die Sprachwörterbücher implementieren.

    Was sind Nachteile von Pseudo-LaTeX?

    1. Pseudo-LaTeX ist nicht mehr strukturiert und damit nicht mehr maschienell erfassbar. Eine Konvertierung in andere Formate ist somit schwierig.
    2. Damit einhergehend ist Pseudo-LaTeX bislang auch wenig standardisiert.
    3. Ebenso ist die Navigation per Screenreader in Pseudo-LaTeX schwieriger, als in strukturierten Formaten wie HTML.
    4. Pseudo-LaTeX erfordert zumeist viel manuelle Arbeit, um ein vorhandenes Skript zu konvertieren.

    Ein Pseudo-LaTeX Abschnitt kann nun beispielsweise folgendermaßen aussehen:

    1.3.1 Satz:
    Die Folge \mklm{(1+ 1/n)^n} ist konvergent und ihr Grenzwert \lim_{n \to \infty} (1+ 1/n)^n=:e liegt zwischen 2 und 3.

    Der originale LaTeX-Abschnitt wäre mitunter deutlich komplexer:

    \begin{theorem}
    Die Folge $\{1+\frac{1}{n})^n\}$ ist konvergent und ihr Grenzwert $\lim_{n\to\infty} (1+\frac{1}{n})^n =: e$ liegt zwischen $2$ und $3$.
    \end{theorem}

    Aussprachewörterbücher

    Aussprachewörterbücher für die Screenreader JAWS und NVDA sind im wesentlichen eine Textdatei, die dem Ausspracheprogramm zur Verfügung gestellt wird.

    Sprachwörterbücher für LaTeX nutzen

    LaTeX Befehle in LaTeX-Quelldateien oder PseudoTex-Dokumenten werden teils sehr kryptisch ausgesprochen. Um den Lesefluss zu erhöhen, können gängige LaTeX-Ausdrücke und ihre natürliche Aussprache zu den Sprachwörterbüchern hinzugefügt werden.

    Statt

    Eckige Klammer auf Null Komma Eins Eckige Klammer zu

    heißt es dann beispielsweise

    Das geschlossene Intervall von 0 bis 1.

    So können entprechende LaTeX beziehungsweise PseudoTex-Dokumente einfacher aufgefasst werden.

    Nachteile von Sprachwörterbüchern

    Die direkte Bearbeitung von Sprachwörterbüchern kann einige Nachteile haben:

    1. Die angepassten Sprachwörterbücher können mit der alltäglichen Sprachausgabe interferieren. Beispielsweise ist ein – entweder ein Minus- oder ein Bindestrichzeichen.
    2. Schon aus Performancegründen können nur die gängigsten LaTeX-Befehle in Sprachwörterbücher aufgenommen werden. Daher müssen Nutzer in der Regel die für sie wichtigsten Befehle selbst in den Sprachwörterbüchern einbinden.

    Installation von JAWS Sprachwörterbüchern

    Ein Sprachwörterbuch für JAWS hat die Dateiendung „.jdf“.

    Installation von NVDA Sprachwörterbüchern

    Editieren von JAWS-Sprachwörterbüchern

    Editieren von NVDA-Sprachwörterbüchern

    In unserem Downloadportal stehen JAWS und NVDA Sprachwörterbücher zur Verfügung, die eine erste Basis von gängige LaTeX-Befehlen umfassen. Sie werden mit der Zeit noch wachsen und können und sollen von Nutzenden individuell bearbeitet werden.

    Bekannte Probleme

    Die Rechtschreibprüfung in Word kann die Aussprache behindern, wenn beispielsweise LaTex-Ausdrücke als Rechtschreibfehler erkannt werden. Je nach Situation kann es sinnvoll sein, die Rechtschreibprüfung zu deaktivieren oder im Kontextmenü alle ignorieren bzw. zum (Word-)Wörterbuch hinzufügen auszuwählen.